„Privatisierter Weltfrieden"
„Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr."
Wollte man Tony Starks Credo in einem Sprichwort zusammenfassen, dann gäbe es sicher kein treffenderes. Auch die wundersame Wandlung vom skrupellosen Waffenhändler zum humanistischen Ritter in rot-goldener High Tech-Rüstung hat sein arrogant-selbstverliebtes Ego nahezu unbeschadet überstanden. Daran lässt das Sequel zum Überraschungshit von 2006 von Beginn an keinen Zweifel.
Iron Man 2 knüpft direkt an die Handlung des Vorgängers an, an dessen Ende Tony Stark seine Doppelidentität vor der Weltpresse enthüllte. Der frisch gebackene Superheld sonnt sich in seinem noch jungen Ruhm. Sowohl die Eröffnungsveranstaltung der eigenen einjährigen Expo in Flushing Meadows, wie auch der vom US-Senat einberufene Untersuchungsausschuss zur Offenlegung der Iron Man-Technologie sind perfekte Spielwiesen für seinen exzentrischen und egomanischen Charakter. Während er sich bei ersterer als Popstar feiern lässt, nutzt er den erzwungenen Auftritt vor den amerikanischen Regierungsvertretern, um diese vor laufenden Kameras mit beißendem Spott der Lächerlichkeit preiszugeben. Ja, trotz seiner hehren Ziele als Iron Man ist Tony immer noch der Alte. Ein aus Überzeugung arroganter Sprücheklopfer, der seine überbordende Eitelkeit wie ein seltene Trophäe vor sich her trägt. Den Untersuchungsausschuss beerdigt er schließlich mit der Zynismus-Fanfare: „Ich habe den Weltfrieden privatisiert!"
Robert Downey Jr. spielt diesen aufgeblasenen Fatzke erneut mit so viel Charme und Selbstironie, dass man ihn einfach lieben muss. Zumal Tony durchaus auch mal ernste und emotionale Momente zulässt. So begegnet er beispielsweise seiner persönlichen Assistentin Pepper Potts mit großem Respekt und ehrlicher Zuneigung, was so gar nicht zu seiner sonstigen Playboy-Attitüde passen will. Die langsame Palladium-Vergiftung, hervorgerufen durch seinen implantierten Minireaktor, macht ihm mehr zu schaffen, als er nach außen zugeben will. Unter anderem deshalb überträgt er Pepper die Firmenleitung und lässt sich ganz unheldenhaft gehen. Dazu kommen lange verdrängte Kindheitserinnerungen und der Schatten eines übermächtigen und ungeliebten Vaters.
Allzu lange kann er sich dieser Persönlichkeitskrise aber nicht widmen, schließen scharren die Gegner bereits mit den eisernen Hufen. Der russische Exhäftling und Physiker Ivan Vanko (Mickey Rourke) hat auf der Grundlage der Starkschen Erfindung einen mit Starkstrompeitschen ausgerüsteten Anzug entwickelt, mit dem Tony bei einem Autorennen in Monte Carlo schmerzhafte Bekanntschaft macht. Die Verwundbarkeit des für unkaputtbar gehaltenen Iron Man wird hier erstmals für alle Welt offensichtlich. Das ist auch Tonys Nachfolger als globalem Waffenlieferanten nicht entgangen. Der schmierige Justin Hammer fackelt dann auch nicht lange und holt den russischen Peitschenschwinger direkt vom französischen Hochsicherheitsgefängnis ins Stark-gebeutelte Team. Hass verbindet eben. Während Vanko seinen einst von Stark Senior ausgebooteten Vater rächen will, möchte Hammer endlich die begehrte Iron Man-Technologie an sich reißen um damit den lästigen Rivalen endgültig abzuservieren. Schließlich brennt das US-Militär auf die eisernen Anzüge und Hammer ist im Gegensatz zu Stark mehr als bereit zu liefern.
Sam Rockwell (Hammer) und der wiederauferstandene Mickey Rourke (Vanko) sorgen dafür, dass Iron Man 2 nicht zur totalen Downey Jr.-Show verkommt. Rourke hat sich inzwischen wohl endgültig mit seinem nur noch begrenzten Rollenspektrum abgefunden und wirft die ganze abgetakelte Prolligkeit seines ramponierten Äußeren mit Verve in den Ring. Auch Rockwell macht als schmierig-schleimiger Emporkömmling mit fehlgesteuerter Selbsteinschätzung ordentlich Laune. Gwyneth Paltrow als sich mausernde Pepper Potts und eine rothaarige Scarlett Johansson als geheimnisvolle Superagentin Natalie Rushman komplettieren den illustren Cast und setzen den Trend moderner Comicverfilmungen fort: gutes Schauspiel und Groschenheftfiguren sind kein Widerspruch.
Natürlich gibt es auch krachige Actioneinlagen, die allerdings - wie schon im ersten Teil - eher als Pflichtübung und weniger als Kür erscheinen. Das finale Kräftemessen mit Hammers Iron Man-Drohnen ist spektakulär inszeniert, erinnert allerdings frappierend an ähnliche Showdowns in Konkurrenzproduktionen. Adrenalinschübe oder gar Spannungsmomente kann der Superheldenerfahrene Zuschauer hier kaum noch erwarten. Das ist allerdings nicht weiter tragisch, schließlich ist Iron Man ohne seine Maske erheblich interessanter, ein Umstand dem Regisseur Jon Favreau bereits im Vorgänger ausgiebig Rechnung trug. So sind es in erster Linie Starks Manierismen, Neurosen und Eitelkeiten die auch Iron Man 2 zu einem vergnüglichen Filmerlebnis machen. Wohl dem, der einen Ausnahmekönner wie Robert Downey Jr. als Zugpferd vorweisen kann. Einen solch komplizierten und exaltierten Charakter wie Tony Stark glaubhaft auf die Leinwand zu bringen ist auch als Wiederholungstat großes Kino im wörtlichen Sinn. Bei aller Bescheidenheit.
(7,5/10 Punkten)