Scheiß doch mal auf Subtilität - anders kann man sich Pierre Morels Nachfolgefilm zu seinem Einspielgiganten "Taken/96 Hours" eigentlich gar nicht nähern, denn was hier geboten wird, veranlaßt den konstruktiv denkenden Menschen eigentlich spontan nur zu einem herzhaften Rotzen in die nächste Zimmerecke, mit "political correctness" hatte es hier wohl keiner am Hut.
Wenn man so möchte, dann ist "From Paris with Love" so eine Art Buddy Movie, zumindest das, was sich Luc Besson und seine Zuchtregisseure unter dieser amerikanischen Subgattung zu vorstellen: also Action, jede Menge Blei, noch mehr Tote, windige Sprüche und bloß nicht zu viel Plot.
Nun gut, wirklich viel Plot hat man auch von Klassikern des Genres wie "Lethal Weapon" nicht verlangt, aber wenn man dann so richtig schön fett im gemachten Filmnest sitzt, dann kommt einem der Richard-Donner-Film wie "Citizen Kane" vor.
Liebe Actionfans: Morels Film ist wohl das, was sonst immer so schön unscharf mit Postmoderne umschrieben wird, der Abgesang samt Neuschöpfung gleich noch in sich vereint.
Man könnte auch sagen: es ist ein drecksreaktionärer, rassistischer, hohlbirniger und arschzynischer Haufen Schafskotze, der zu Unterhaltungszwecken zusammenmontiert wurde, auf das das simple, aber gutmenschlich geschaltete Gehirn da mal so richtig hitze- und stressfrei machen kann. Keule raus, ist wieder Paarungszeit.
Das uns hier begleitende Duo ist mit Jonathan Rhy Meyers als karriereorientierter Botschaftsangestellter und John Travolta als schießwütiger Killeragent eigentlich schon ausreichend beschrieben, denn der weitere Sinn ihres Vorgehens in diesen nicht mal 90 atemlosen Minuten entzieht sich gänzlich dem Verständnis des Publikums. Es steckt kein Sinn der dahinter, sondern nur Lügen, Täuschungen und doppelte oder dreifache Böden, so daß sich der Zweck der Handlung durch die Handlungen selbst ergeben muß. Selbstzweckhafte Gewaltorgien, das gibts so schön selten in letzter Zeit, wo alles auf Sommerblockbuster zugeschnitten war, ein Hauch von "Cannon", von Golan / Globus weht durch den Saal, während Chuck Norris seine Geburtstagstorte zum Siebzigsten verputzt.
Also rein ins zweifelhafte Vergnügen, bei dem Rhys Meyers den Leinwandpart des Publikums übernimmt, den des überraschten und dann zunehmend überfahrenen Protagonisten, während Travolta so sehr vom Leder zieht, als hätte er alles seine manierierten Killer- und Bullenrollen seit "Pulp Fiction" zu einer noch alberneren Selbstparodie einkondensiert - zu allem Überfluß wurde dann auch noch eine Tarantinoreferenz eingebaut, die mit "Holzhammer" noch sehr freundlich umschrieben ist, aber trotzdem den Bruhaha-Faktor wahrt.
Und worum gehts?
Tja, erst gehts um Drogendealer, dann um finstere Gesellen aus nahöstlichen Gefilden und irgendwann, als auch dem Letzten im Saal klar geworden ist, wie wenig das die Filmemacher schert, dann gehts um Terroristen. Nicht aus einem bestimmten Land oder so, nicht mit einer bestimmten Absicht, nur böse müssen sie sein und mal eben die Konferenz für Afrikahilfe sprengen - bestimmt Sarkozys Lieblingsfilm des Jahres. Dazwischen solls dann für die Identifikationsfigur auch noch etwas persönlich motiviert werden, aber die Wendung stinkt ziemlich schnell zum Himmel, daß auch mit diesem "Überraschungseffekt" wirklich kein Staat zu machen ist. Aber das hatte dann am Ende auch keiner vor, erneut nur ein Mittel zum Zweck.
Bis dahin hat sich der Film, den Besson wie so viele seiner auf seinen genialen Ideen basierenden Skripte vermutlich angesoffen auf einem Post-It niedergekritzelt hat, aber schon blindwütig ausgetobt. Zwar wollen wir den armen Menschen aus anderen Ländern hier helfen (auch wenn das nur als Alibi für die letzten 15 Minuten nachgeliefert wird) und sie schützen, bis dahin wird aber in der Stadt der Liebe erstmal gehörig der Dreck vor die Tür gebracht. Also metzeln wir uns durch ein Chinarestaurant, killen eine brutale Jungschlägergäng, meucheln weitere Asiaten ("Schlitzies") und machen dann in der nächstgelegenen asozialen Plattenbausiedlung weiter, wo wir nach Nahost und Nordafrika wechseln und weiteres Gewürm sixpackweise erschießen oder zersprengen. Potentielle Opfer gibt es reichlich, die Motivation zum Abknallen liefern wir immer hübsch nach, wird sich schon ein Grund finden lassen. Aber immer dran denken: lustig muß es sein.
Tröstlich oder irritierend ist dabei, daß die Franzosen offenbar kein Problem damit haben, ihre eigenen sozialen Mißstände mal eben mit der Panzerfaust beseitigen zu wollen und für diese Tätigkeit einen verfilzten, übergewichtigen Glatzkopf aus den Staaten einfliegen lassen, der keine drei Worte französisch beherrscht. Der Ami wirds schon richten und so benimmt sich Travolta wie Rambo auf dem Kindergeburtstag, während Morel damit beschäftigt ist, mittels weiter Shirts und Palästinensertuch die Killerplautze des Ex-Tanzstars nicht zu auffällig werden zu lassen.
Wie hieß es doch so schön in Schwarzeneggers "Last Action Hero": "Es ist was faul im Staate Dänemark und Hamlet bringt den Müll auf die Kippe!". Prima, im Weinland Frankreich herrschen ähnliche Zustände und statt Arnie ist Travolta zu Gast und weil so ziemlich jedes zivilisierte Land sein durch die Springerpresse aufmerksam durchleuchtetes Präkariat hat, das in U-Bahnen gerne aufrechte junge Menschen zerkloppt, kann man auch in Deutschland der Moral und dem Anstand für anderthalb Stündchen mal die Zügel schießen lassen und das tun, was man nach Serien wie "Jugendliche außer Kontrolle" sowieso insgeheim schon immer tun wollte - Knüppel aus dem Sack und den Abzug drücken.
Interessant, daß dieser scheinbar gesunde Streßabbau keine große Gnade in den Staaten fand, möglicherweise weil die Stadt der Liebe selten in einem Film so wenig betont blieb - von einem hastigen Croissantwettfressen auf dem Eiffelturm hätte der Film auch in Toulouse, Mülhausen oder Bratislava stattfinden können, noch dazu in wunderhübsch verwaschenem Grau gehalten. Vermutlich fasziniert jenseits des Atlantiks nur ein Anschlag auf die eigene Heimat und/oder ihre Vertreter und wo ein selbstjustiziärer Daddy problemlos und todernst die Froschfressermetropole kleinhacken durfte, weil ein US-Mägdelein samt Jungfräulichkeit und der Teilnahme bei "American Idol" in Nöten war, ist die hier folgende Daueralberei nicht ausreichend definiert, auf wessen Kosten sie gehen soll - am Ende tut man es für die armen Neger in Afrika (angesichts der feinsinnigen Wortwahl des Films übrigens eine durchaus berechtigte Formulierung).
Aber das verblasst alles angesichts der alles überwältigenden Chargiererei Travoltas, die vor allem den sonst eher in feinsinnigen Rollen sattelfesten Rhys Meyers zu einem funktionsarmen Kleiderständer macht, denn der hätte vor allem etwas mehr Handlung benötigt und schlägt sich stattdessen als ratloser Fragensteller durch die ganze Hetze.
Nachdem nun aber die Vorstadt gereinigt ist und der letzte Selbstmordattentäter gekopfschußt, ist wieder alles happy in der ersten Welt und man kann bequem mal eine Runde Schach am Flughafen starten, während der stareigene Privatjet warmläuft.
Und so bleiben dem geneigten Zuschauer, ob Actionfreund oder nicht, eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder diesen militanten, menschenverachtenden Schrott auf der nächsten Waldlichtung rituell abzufackeln oder Besson ob seiner Dreistigkeit, gleich zwei führende Weltnationen moralisch bis zur Hüfte mit Vergnügen ins Exkrement zu reiten, einfach mal bewundern.
Natürlich ist das alles nicht ernst gemeint, was die Franzmänner hier veranstalten, aber man braucht schon einen speziell gelagerten Sonderfall von Humor, um das geschmacksneutral durchzuwinken und und ohne bitteren Nachgeschmack abzulachen. Immerhin bleibt hinterher die Gewißheit, daß hier endlich mal nicht für Fremdschämer was geklöppelt wurde, dem man sich überlegen fühlen kann - andererseits ist die Devise "Der Dreck muß weg, also packen wir es an!" so konsumentenfreundlich faschistoid aufbereitet, daß es einen kitzelt, ob das mit polnischen Mädchenhändlern und türkischen Migranten dritter Generation aus Neukölln incl. Showdown auf dem Alex bei uns genauso witzig aufgenommen worden wäre. Na klar, die wollen alle nur spielen, nur...Reagan ist tot, Obama hat den Friedensnobelpreis...anscheinend ist es mal wieder soweit und keiner weiß warum. Für die Dreistigkeit schon fast wieder allen Lobes wert, rundum pervertierte Unterhaltung in Perfektion: Lachen. Kotzen. Oder beim Lachen kotzen! (5/10)