"The Party's next door! - And that's the way it's always been!"
Angesichts der blonden Schönheit, die diese Worte mit einem Glas Bourbon in der Hand spricht, möchte man an Ironie glauben, aber Douglas Sirk erzählt hier nach William Faulkner's Roman "Pylon" eine Geschichte der Gegensätze. Und bewies mit "The Tarnished Angels", wie virtuos und aus einem gegensätzlich scheinenden Ansatz er in der Lage ist, ein überzeugendes menschliches Drama aufzubauen.
Zwei Jahre zuvor drehte er mit den selben Hauptdarstellern (nur Lauren Bacall fehlte diesmal) "Written in the Wind", dessen bonbonfarbene Buntheit die darunter verborgene Tragik nur langsam zum Vorschein kommen ließ, während die Schwarz-Weiß Bilder in "The Tarnished Angels" keine Illusionen entstehen lassen. Dabei böten sich bunte Farben geradezu an, denn Sirk erzählt seine Geschichte während der Karnevalszeit in New Orleans. Die Menschen auf den Straßen und in ihren Wohnungen feiern mit fantasievollen Maskierungen, während parallel eine große Flugschau stattfindet - ein buntes Spektakel mit Jahrmarkt, Stunts und Flugzeug-Rennen um eine von Pylonen abgesteckte Strecke.
Schon die ersten Bilder inmitten der Zuckerwatten und Karussell-Fröhlichkeit, lassen den Gegensatz zu den tatsächlichen Empfindungen der Menschen deutlich werden, weshalb Sirk nur wenige Elemente benötigt, um den Betrachter mit den Protagonisten vertraut zu machen. Burk Devlin (Rock Hudson), Journalist einer ansässigen Zeitung, schlendert über das Jahrmarktgelände und kommt einem Jungen zu Hilfe, der von einem Mechaniker damit geärgert wird, dass er in Frage stellt, wer sein Vater ist. Dabei handelt es sich bei Jack Shumann (Christopher Olsen) eindeutig um den Sohn von LaVerne (Dorothy Malone) und Roger Shumann (Robert Stack). Doch angesichts der blonden Schönheit LaVerne, die auch bei Devlin sofort Begehrlichkeiten weckt, sind Verdächtigungen dieser Art schnell ausgesprochen. Besonders wenn man weiß, dass der Mechaniker Jiggs (Jack Carson) immer mit der Familie Shumann von Flugschau zu Flugschau reist.
Douglas Sirk entwirft hier ein Gebilde gegenseitiger Abhängigkeiten, deren tatsächliche Tragweite sich erst zum Schluss herausstellt. Jeder Glamour, der sich auf Grund der Flugzeuge, des abenteuerlichen Ambientes mit seinen Heldengeschichten und der schönen Ehefrau ergeben könnte, wird schon beim ersten Blick in Roger Shumann’s mürrisches Gesicht vertrieben. Ganz abgesehen davon, dass die Familie in Geldnöten steckt und nicht weiß, wie sie ihre Unterkunft bezahlen soll. Devlin hilft ihnen und lädt sie dazu ein, in seiner Wohnung unterzukommen.
Devlin selbst macht trotz aller scheinbaren Entspanntheit auch keinen frischen Eindruck und es ist erstaunlich, wie zerknautscht und fast depressiv Rock Hudson hier gegen sein übliches Image spielt. Die Gespräche, die sich zunehmend zwischen ihm und LaVerne entwickeln, haben von Beginn an den Charakter der Begegnung zweier Menschen, die nach Liebe und Anerkennung dürsten, Trotzdem lässt Sirk keinen Zweifel daran, dass hier keine romantische Geschichte erzählt wird. LaVerne leidet unter der ablehnenden Haltung ihres Ehemannes, der kaum einmal mit ihr spricht, während Devlin, der Ablenkung im Alkohol sucht, sich in seinem intellektuellen Anspruch unterfordert und von der Umgebung nicht anerkannt fühlt. Durch das nächtliche Gespräch mit LaVerne noch zusätzlich aufgeheizt, will er eine Reportage über die Familie schreiben, aber sein Redakteur lehnt die „Zigeuner“, wie er sie nennt, ab. Verletzt und wütend attackiert Devlin ihn und wird rausgeschmissen.
Zurückgekehrt zu der Flugschau, wird er Zeuge eines Wettkampfes zwischen Roger Shumann und einem jungen Flieger, der von Matt Ord (Robert Middleton) ein Flugzeug gestellt bekommt. Matt Ord ist ein wohlhabender Geschäftsmann Ende Fünfzig, der mit den Flugwettbewerben Geld verdient, ohne selbst sein Leben zu riskieren, und wird von Shumann entsprechend abgelehnt. Zudem hat er ein Auge auf LaVerne geworfen. Entgegen der sonst nah an die Personen herangehenden Kamera, inszeniert Sirk die Flugkämpfe als beeindruckendes optisches Spektakel, deren Spannung regelrecht greifbar wird. Die Flugzeuge, die in möglichst engen Kehren um die Pylone fliegen, berühren sich beinahe, und es überrascht nicht, dass tödlichen Unfälle keine Ausnahme sind. So auch diesmal, als dem jungen Flieger bei einem Crash mit Shumann ein Flügel seiner Propellermaschine abbricht. Er stürzt ab, während Shumann sein brennendes Flugzeug noch landen und sich retten kann.
Die Art wie Sirk hier den Tod inszeniert, ist typisch für seine Filme - er nimmt ihn ernst, betont gleichzeitig aber dessen Beiläufigkeit. Als später Männer den Sarg aus einer Halle tragen, sieht man im Vordergrund einen Propeller starten. Trotz des Unglücks macht sich Shumann sofort auf die Suche nach einer Ersatzmaschine, um am nächsten Tag wieder mitfliegen zu können. Doch das einzige zur Verfügung stehende Flugzeug gehört Matt Ord und hat einen kaputten Motor. Shumann drängt seinen Mechaniker Jiggs, diesen zu reparieren, und fordert seine Frau dazu auf, Matt Ord dazu zu überreden, ihm die Maschine zur Verfügung zu stellen, wohl wissend, dass sie ihm dafür schöne Augen machen muss.
Sirks Meisterschaft lag in der geschickten Zuspitzung der Emotionen, die geradezu zwingend auf eine vulkanartige Eruption hinführte, hier aber geht er noch einen Schritt weiter. Nach zwei Dritteln der Laufzeit kommt es zu einer Katastrophe, die normalerweise das Ende eines Films bedeutet hätte oder zu einer Lösung hätte führen können. Doch Sirk setzt seinen Film zwar fort, verzichtet aber abrupt auf die sich bisher steigernde Dramatik und verfällt in einen fast emotionslosen Gleichklang. Damit verändern sich die Gewichtungen zwischen den einzelnen Personen. Lag Sirks Augenmerk scheinbar auf Devlin und LaVerne und deren intensive Gespräche, während Robert Stack als wortkarger und meist unfreundlicher Pilot im Hintergrund agierte, zeigt sich jetzt dessen Bedeutung für das innere Gefüge. Anders als üblich hatte die Katastrophe keine reinigende Wirkung, sondern lässt erst die innere Leere der Beteiligten deutlich werden. Das Ende verspricht zwar ein wenig Hoffnung auf Veränderung, aber davon abgesehen hinterlässt „The Tarnished Angels“ nur verlorene Seelen.(9/10).