"Bei mir steht er ! - Wieso spürst du nichts ?"
Im Grunde kulminiert Alles in dieser Bemerkung des Produzenten der Show im Stardust-Hotel gegenüber Nomi Malone (Elizabeth Berkely) als er sich darüber mokiert, daß ihre Brustwarzen beim Vortanzen nicht steif werden. Warum spürt hier Keiner irgendetwas, wieso wird dieser Film so in Grund und Boden verdammt oder bestenfalls als Trashwerk mit Spaßfaktor anerkannt ?
Nein, mir ist der Samenstau nicht bis ins Hirn gestiegen und trotzdem hat mich dieses Werk begeistert. Auf Grund der hoffnungslosen argumentativen Ausgangslage, die gegen eine fast übermächtige Stimmungsmache antreten muß, versuche ich mich hier mit einer detaillierten Auseinandersetzung :
1. Die Story
Joe Eszterhas' Storyline wird kaum eine Qualität zugeschrieben. Vorhersehbar, ohne Tiefe in der Charakterzeichnung, klischeehaft sind da noch angenehme Bezeichnungen - Gutwillige gestehen der Geschichte um die Tänzerin Nomi auf ihrem Trip in Las Vegas noch satirische Momente zu, doch Niemand begreift den Sinn der dramatischen Geschehnisse der letzten halben Stunde mit der brutalen Vergewaltigung.
Gerade in dieser Story sehe ich eine der größten Qualitäten des Films, denn sie orientiert sich an klassischen männlichen Filmmustern, kehrt sie aber komplett ins Weibliche um. Ich gehe sogar soweit, diesen Film als einen der wenigen wirklich emanzipierten Filme zu bezeichnen und bin deshalb auch nicht erstaunt ,daß Elfriede Jelinek "Showgirls" als einen ihrer Lieblingsfilme bezeichnet.
Mit der Figur der Nomi Malone verabschiedet sich Eszterhas von jedem weiblichen Rollenklischee. Normalerweise gibt es nur zwei Haupttypen bei der Gestaltung von weiblichen Rollen, entweder sie sind sozial unverträgliche Zicken, denen es nur um das eigene Wohlergehen geht, oder sie haben das Herz auf dem rechten Fleck, unabhängig davon ob sie sonst selbstbewußt aktiv oder eher passiv agieren. Der erste Typus bekommt in der Regel keinen Mann ab oder Einen, den sie verdient, der zweite Typus hat letztendlich immer eine harmonische Beziehung (die z.B. bei einem Drama aus Krankheits- oder Unfallgründen auch unglücklich enden kann). Natürlich wandelt sich Typus 1 auch hin und wieder zu Typus 2, denn nur dieser genießt abschließend auch die Sympathien des Publikums.
Nomi Malone paßt nicht in dieses Schema. Sie wirkt leicht einfältig, manchmal fast unwirklich jungfernhaft, ist zickig und aufbrausend, plötzlich konsequent unabhängig, dann wieder ehrgeizig und total berechnend und wechselt ständig zwischen scheinbarer Naivität und Selbstbewußtsein. Dabei ist keine wirkliche Linie zu erkennen und so wird der Betrachter immer wieder in seiner Erwartungshaltung irritiert.
Dabei macht sie nichts anderes als unzählige männliche Vorbilder. Einem Arnold Schwarzenegger oder Silvester Stallone haben wir anfängliche Naivität und Blauäugigkeit immer zugestanden, genauso wie einen anspruchslosen Job. Selbstverständlich sehen wir jedem Helden auch nach, wenn er sich mal zwischendurch in die falsche Schlange verguckt - so wie es Nomi mit dem smarten Zack (Kyle MacLachlan) ergeht - und rüde zwischen Ablehnung und Anziehung ständig wechselnde männliche Duelle zwischen zwei nahezu gleich starken Gegnern sind in der Filmgeschichte Legion, inclusive der oft ins homoerotische gleitenden Attitüde - gerade im Sportfilm. Doch eine Auseinandersetzung wie zwischen Nomi und Cristal (Gina Gershon) wird durch die Kritiker nur ins Lächerliche gezogen, obwohl gerade deren letzten Worte an Nomi auf dem Krankenbett von zutiefst traditioneller (männlicher) Bedeutung sind - nämlich die Anerkennung des Gegners, der letztendlich nur das getan hat, was man selber auch gemacht hätte.
Von Frauenrollen wird Tiefe verlangt, eine charakterliche Nachvollziehbarkeit. Eszterhas dagegen entwirft eine Frau, die sämtliche Klischees bedient und damit schon wieder individuell wird. Weder John McLane in "Die Hard" noch "Rocky" sind tatsächliche reale Charaktere, sondern eine wunderbare Mischung aus Abziehbildern. Sie alle dürfen erst einmal durch Erniedrigungen und Rückschläge waten, ohne daß sich Jemand im Nachhinein über deren Wiederaufstehung und überlegene Kraft wundert. Gerade deshalb halte ich die abschließenden Szenen mit Nomis Racheakt für unbedingt notwendig, denn erst dadurch vollendet sich ihr Charakter im männlichen Sinne.
Natürlich hat es überlegen agierende Frauenrollen im Film schon gegeben, besonders Sigourney Weather in den "Alien"-Filmen. Aber sie ist auch ein sehr moralischer Charakter und verwehrt jede anbiedernde Geste - das Nomis Malone aber gerade als Strip-Tänzerin arbeitet ,ständig nackt ist und sich dabei prostituiert ist zwar genial, aber einfach zuviel des Guten. Diese Tätigkeit verbunden mit einem selbstbewußten, unabhängigen und trotzdem nicht moralisch einwandfreien ,teilweise naiven und unsouveränen Charakter verlangt vom Publikum ein zu hohes Maß an Abstrahierung.
Daran mußte der Skript scheitern - aber die immer wieder gestellte Behauptung der Vorhersehbarkeit der Story, halte ich für schlicht gelogen. Ja, im Nachhinein haben es alle gewußt ! - Aber wer will behaupten, wie Nomi auf die verschiedensten Intrigen und Verführungen reagieren wird ? - Das ist unmöglich, gerade weil Eszterhas immer wieder Klischees bedient, sie aber ständig von verschiedenen Seiten betrachtet.
Gerade die Klammer des Films, bei der Nomi als Anhalterin zweimal auf den selben Autofahrer trifft, zeigt doch deutlich wie konstruiert der Plot ist. Deshalb treffen auch alle Kritiken an den nicht realistisch genug beschriebenen Zuständen hinter der Bühne daneben. Darum geht es hier nicht - hier wird ein Märchen erzählt wie in unzähligen männlichen Helden-Epen auch. Und wie alle Märchen treffen sie den wahren Kern oft besser, obwohl die Story an sich unwirklich und konstruiert wirkt.
Ganz deutlich wird - wer hier nicht den Einstieg in die Story schafft aus verschiedensten nachvollziehbaren Vorbehalten, der kann sich den Film tatsächlich sparen. Für alle Anderen bleibt der Film über die gesamte Laufzeit abwechslungsreich ,unterhaltend und nicht zuletzt spannend.
2. Der Sex
Hätte Verhoeven die gesamte Story nicht ausgerechnet im Milieu der Strip-Bars und Vegas-Shows angesiedelt, vielleicht hätte sein Film eine Chance gehabt. Doch zum Einen erfüllt er damit seinen Ruf als Provokateur, zum Anderen ist es nur konsequent im Sinne seiner Intentionen.
Unabhängig davon ist die gesamte Aufregung über die durchgehend ästhetisch einwandfreien , nie vulgär oder anbiedernd wirkenden Nacktaufnahmen nicht nachvollziehbar. Gerade durch die Häufigkeit der Akte entsteht so etwas wie Normalität - Bekleidungen erhalten so beinahe mehr Aufmerksamkeit, besonders da sie teilweise Vegas typisch eher schräg sind.
Bei den Tänzen agieren die Frauen auch meist optisch aggressiv, überlegen und so wurden auch am häufigsten die Nacktszenen kritisiert, in denen sich die Tänzerinnen einem männlichen Beurteiler zur Schau stellen mußten. Diese bewußten Erniedrigungen sind natürlich ein Tabu, aber verdeutlichen nur noch stärker wie sehr die Gesellschaft männliche Erniedrigungen im Film, die bekanntlich Grundlage jeder Heldenstory sind, akzeptiert.
Das in der Realität alltägliche weibliche Erniedrigungen viel häufiger sind, wird kaum Jemand bestreiten - aber mit der Realität will im Film möglichst keiner konfrontiert werden ,außer man umhüllt ihn mit einem seriösen Mäntelchen.
Jeder hätte eine weibliche Heldin dann akzeptiert - auch wenn sie männliche Rollenklischees, incl. der Erniedrigung, übernommen hätte - wenn sie sonst eine integere Erscheinung gewesen wäre. Aber die Verbindung von Sex, dauernder Nackheit mit diesem Rollenklischee ist eine für unsere Erwartungshaltung nicht aufgehende Gleichung.
3. Die Schauspieler
Ich bin mir nicht sicher, ob die Schauspieler wirklich wußten, worauf sie sich bei diesem Projekt einließen. Das so viele bekannte Schauspielerinnen trotz des bekannten Regisseurs absagten, zeigt einen gewissen Weitblick.
Nichtsdestotrotz ist Elizabeth Berkleys Leistung nur zu bewundern. Sie spielt hier eine Hauptrolle, wie sie nur wenigen weiblichen Schauspielerinnen zugestanden wird - mit einer überlegenen Screentime. Dazu verlangt die Rolle erheblichen Körpereinsatz - der Tanz wird hier zur weiblichen Form der Action, selbst ihre Racheaktion hat etwas tanzartiges.
Ob einem die auf mich etwas abgehackt wirkende Tanztechnik gefällt ist nebensächlich, Berkley überzeugt gerade durch ihr teilweise zweidimensionales Spiel, daß noch durch ein völlig übertriebenes Make-Up verstärkt wird. Auch hier ist wieder die Parallele zum männlichen Helden zu erkennen, denen auch selten mehr als ein Gesichtsausdruck einfällt. Nur halte ich das hier für Absicht, denn im Gegensatz zu Schwarzenegger und Co. hat Elizabeth Berkley schon mehrfach bewiesen, daß sie auch facettenreicher Spielen kann - nur paßt das hier nicht zu der Rolle.
Auch Gina Gerson und MacLachlan sowie viele Nebendarsteller überzeugen in ihrer Darstellung als klischeehafte Mitstreiter. Besonders Gerson ist überragend in ihrer "Schon-erfahrener-Star"-Rolle. Wann jemals hat eine Frau einen solchen Gegenspieler dargestellt, der einerseits die Leistung des Gegners anerkennt und ihn unterstützt, andererseits mit ihm spielt und gegen ihn integriert und trotz einer Niederlage die Größe hat, diese anzuerkennen ? - Und das ohne dabei irgendwelche weiblichen Gefühlsklischees zu bedienen ?
Mich erinnert das stark an Rollen von John Wayne oder erst zuletzt Kevin Costner. Der alte erfahrene Kämpe, dessen Zeit zu Ende geht und der seinen Nachfolger kommen sieht. Einerseits freut es ihn, andererseits fühlt er sich bedroht und immer stellt er diesem eine Aufgabe, bei der er sich beweisen muß, wie Cristal, als sie Nomi auf die angeblich harmlose Werbeveranstaltung schickt...
Fazit : "Showgirls" braucht noch ein wenig Zeit - Verhoeven hat zuviel auf zu verschiedenen Ebenen gleichzeitig ausprobiert und das ist ihm nicht gut bekommen. Gerade aber die vielen negativen Kritiken, die fast ausschließlichen Verrisse, die in keinem Zusammenhang mit den dort gezeigten schauspielerischen Leistungen, der kraftvollen Bildsprache und der in sich konsequenten Thematik stehen, beweisen, daß dieser Film etwas Besonderes ist.
Es gibt unendlich viele uninteressante, politisch fragwürdige, patriotisch aufgeblähte Filme in durchschnittlicher Machart, denen allen bessere Kritiken zu Teil wurden. Diesen Film als den schlechtesten Film der letzten 25 Jahre zu bezeichnen (was offiziell geschehen ist), kommt einer Auszeichnung gleich.
Für mich ist er einer der besten Filme - konsequent, unterhaltend und künstlerisch (10/10).