Eins sollte man vorneweg schicken: es ist nicht planbar, ein cineastisches Kult-Item wie „The Rocky Horror Picture Show“ neu zu erschaffen und Popularität hat nichts mit Qualität zu tun. Und so wurde es hier auch gar nicht erst versucht – für Darren Lynn Bousman, Mehrfachregisseur der „Saw“-Reihe, war „Repo – The Genetic Opera“ ein Herzensprojekt, basierend auf einem Bühnenstück, das er mittels des Erfolges von „Saw“ auf Film bannen konnte.
Doch selbst ein horrorerprobter Verleih wie „Lionsgate“ war nicht in der Lage zu entscheiden, an wen sich diese Horror-Oper nun richten sollte und so wurde der Film stillschweigend mit einer kleinen Festivaltour verramscht, in der Hoffnung, die Mundpropaganda würde daraus einen Langzeithit machen. Es sieht nicht danach aus, als würde dies geschehen – „Repo“ bleibt ein kleiner, kurioser Bastard, den niemand sehen will, nicht mal so recht die eigentliche Zielgruppe, die in ein schräges Horrormusical Tim Burtons noch in Scharen gelaufen kam, obwohl es dissonant am Ohrwurm vorbei schrammelte.
Der Witz ist, „Repo“ hätte Besseres verdient.
Das Schlimme ist, man hätte es auch viel besser machen können.
Was also haben wir hier wirklich vor uns?
„Repo – The Genetic Opera“ ist ein wahrer Bastard, eine uneinheitliche Mischung aus Oper, Musical, Rockoper und Musiktheater, zu 98 Prozent gesungen oder zur Hintergrundmusik deklamiert. Eine Story in großer Opern-Tragik-Attitüde, angesiedelt in einer futuristischen Endzeitzukunft, angerichtet mit Blut und Gore, abgerundet mit Abstrusitäten und absonderlichen Einfällen, gehalten in einem Neo-Gothic-Look.
Generell sollte es genug potentielles Publikum geben, da das „neue Gothic“ inzwischen breitestgehend die Jugendkultur unterlaufen hat, doch wirkliche Verbindungspunkte gibt es wenig.
Das liegt nicht zuletzt daran, daß sich Gelingen und Misslingen hier zu gleichen Teilen die Waage halten, ohne das etwas einheitlich Begeisterndes dabei entstehen könnte.
Am Besten: der generelle Look.
Für gruftige Fans ist die Story von der in Stücke zerfallenen Welt, in der viele Menschen an Organversagen leiden und deswegen neue Organe erstehen müssen, die bei Ratenrückstand blutigst wieder entfernt werden, eigentlich ein wahres Fest. Komplett auf einer Soundstage gedreht, präsentiert Bousman sein Spektakel in speziell ungeschärftem Digital Video und erschafft so eine morbide Stummfilmatmosphäre. Es glühen die Augen, es leuchtet der Kajal als Augenumrandung. Gesichter werden abgetrennt und wieder angeklebt, Organe entrissen, schräg sind die wenigen intakten Häuser ins Bild der ewigen Nacht gefaßt; ein gruselig untot wirkender Grabräuber im totalen Gothiclook entnimmt neonblaue Flüssigkeit Leichenhirnen und vertickt es an Rauschgiftsüchtige – Bousman erschafft ein makabres Mini-Universum für schnöde 8,5 Millionen und es sieht nach dreimal mehr aus.
Doch nicht alles paßt so gut ins Bild. Am ehesten beweisen noch die Darsteller ihre generelle Bereitschaft und spielen sich die Finger wund, hauptsächlich in Form ihrer Gesangsparts. Doch schon hier will nichts so recht zusammenfinden. Anthony Stewart Head (bekannt als „Giles“ aus „Buffy“) nimmt seine Gesangskünste als schizophrener Repo Man wieder auf und liefert eine großartige Performance wie bei „Once more with feeling“ – und wer hätte gedacht, daß Paul Sorvino eine passable Opernarie abliefern kann? Doch paßt beides zusammen? Wohl kaum, wenn man gleichzeitig Alexa Vegas Punkgörengesang dagegen hält und alles von der überprofessionellen Sarah Brightman (als Diva mit künstlichen Augen) lässig an die Wand gespielt und gesungen wird, während im Hintergrund Paris Hilton sichtlich bemüht ihr Pop-Ding abzieht.
Zu uneinheitlich sind die Stile und zu penetrant wird man hier mit Gesang und Sprechgesang eingedeckt.
Wozu müssen passable Dialoge denn unbedingt halb gesungen werden, wenn man sie (wie mal kurz zu Beginn) auch ganz sprechen könnte und der Takt zur Backgroundmusik der Szene nichts beisteuert. Wild ballert sich die Story durch die Stile und irgendwie wirkt das alles recht aufregend und abwechslungsreich, aber ins Ohr gehen von über 40 Lieder maximal zwei. Stilwechsel, wohin man blickt, jedoch kein Augenblick der Ruhe. Nichts zum Mitreisen, kein Trip mit Teilnahmemöglichkeit.
Die größte Schwäche liegt allerdings im Plot des Bühnenstücks, dessen Ende man wohl noch umschrieb, denn immer wieder versanden einzelne Handlungsstränge binnen 95 Minuten im Nirgendwo, obwohl sie eigentlich interessant klingen. So hat der „Grave Robber“ eigentlich in der Handlung so wenig eine echte Funktion wie der „Schmerzkiller“, den er aus Leichen raubt. Die Verbindung der Hauptdarsteller untereinander ist klassisches tragisches Opernmaterial rund um Liebe, Gift, Mord, Verrat, Enttäuschung, Rache und Folter, doch wird er schlußendlich aufgelöst? Nein!
Alles mäandert in ein großes ungeklärtes Fragezeichen, der Knoten löst sich nicht, er wird niedergelegt, Figuren sterben, ersticken dramatisches Potential in einem sinnfreien Figurensterben und sülzigen Extraplotpoints. Der große Operncoup am Ende, trotz mehrmaliger Ankündigung fehlt ebenso wie das propagierte Gemetzel, sorgfältig baut man eine Pyramide, versorgt den Zuschauer mit Hintergrundinformation in perfektionierter Comicform und wirft das Konstrukt dann am Ende einfach um – läßt ein paar Charaktere (nicht eben die interessantesten) zurück und verweist kaltlächelnd auf eine Fortsetzung, die niemanden wirklich interessiert.
Natürlich bleibt dem Horrorfan immer noch das generell Abstruse, eine gewisse Tendenz zum Ausweiden, zum Rummantschen und manchmal erscheint hier alles schlichtweg genial, doch das Gefühl, daß zu viel gewollt und zu wenig erreicht wurde, bleibt bestehen, der schwarze Humor versandet in der Tragik, die Tragik kommt dann aber nicht zum Tragen.
Das ist um so trauriger, weil „Repo“ verdammt gut aussieht, so gut, daß man möglicherweise kaum merkt, daß man sich den Film wirklich gern kein zweites Mal anschauen würde, weil er nicht das liefert, was er hätte versprechen können, dort, zwischen allen Stühlen.
„Repo“ funktioniert über den Neugierfaktor, über den Kuriositätenwert, das Bizarre und Abscheuliche, die Schönheit im Untergang, aber die Komposition ist voller Fehler, voller Sprünge, voller dissonanter Tonarten.
Man sollte ihn sehen, man muß ihn sehen, man kriegt so etwas nur selten zu sehen, so etwas, anders als das immer Gleiche, aber dann spürt man doch: es ist ein deformiertes Unikat, einzigartig, aber pervertiert. Und insofern ja schon fast folgerichtig. (5/10)