Wenn heute Meryl Streep als Alt-Hippie Donna auf einer kleinen griechischen Insel "Abba"-Lieder schmettert und ausgelassen dazu tanzt, dann erinnert man sich kaum noch daran, dass die Songs der schwedischen Gruppe in den 70er Jahren keineswegs als Symbole für Ausstieg, alternative Lebensformen und Freiheitsdrang galten.
Es dauerte fast zwei Jahrzehnte bis die fein arrangierten und keineswegs anspruchslos zu singenden Pop-Songs auch von der Kritik rehabilitiert wurden. 1994 in "Muriels Hochzeit" stand ihre Musik erstmals für die persönliche Freiheit innerhalb einer normierten Gesellschaft, aber es bedurfte des Musicals "Mamma Mia", um zu erkennen, welche Qualitäten auch in den scheinbar simplen Texten lag.
Die Story selbst ist von einfachster Machart und rankt sich um die Hochzeit von Sophie (Amanda Seyfried), Donnas Tochter. Während Donna alles organisiert und hektisch ihr kleines Hotel schmückt, treffen nach und nach die Gäste ein - erwartete und scheinbar ungebetene Gäste. Dabei verknüpft die Story geschickt zwei Generationen - die junge, vertreten durch Sophie, ihren Bräutigam Sky (Dominic Cooper) und deren zahlreiche Freunde, und die Generation der Mittfünfziger, wenn man so will die "Abba" Generation. Zu dieser gehören Donnas beste Freundinnen Tanya (Christine Baranski) und Rosie (Julie Walters) und - für Donna mehr als überraschend - Sam (Pierce Brosnan), Bill (Stellan Skarsgård) und Harry (Colin Firth).
Mit allen Dreien hatte sie vor über 20 Jahren eine Affäre, die vor allem mit Sam unglücklich endete, und sie ahnt nicht, dass sie von ihrer Tochter eingeladen wurden, die endlich ihren Vater kennenlernen will. Im Tagebuch ihrer Mutter hatte Sophie von den Liebesabenteuern gelesen und daraus geschlossen, dass einer der Männer ihr Vater sein muss. In der Hoffnung, diesen sofort erkennen zu können, schickte sie ihnen einen Brief, aber so leicht lässt sich nicht herausbekommen, wer wirklich ihr Vater ist...
Die Konflikte, die hier heraufbeschworen werden, sind typischer Komödienstoff, die angesichts des allgemein fröhlichen Treibens nie zu wirklicher Dramatik finden. Zwar gibt es kurze Dialoge zwischen Mutter und Tochter (Donna ist nicht wirklich für die Hochzeit), Tochter und Bräutigam (sie hatte ihm nichts davon erzählt, dass sie die "Väter" eingeladen hatte) oder Sam und Donna (damalige Missverständnisse), aber die Texte bleiben an der Oberfläche. Um so überraschender ist es, wie hervorragend sich die Abba-Songs sowohl vom Text als auch der Musik her in die Handlung integrieren und erst Emotion und Tiefe erzeugen können.
Schon beim im Duett gesungenen Song "S.O.S." bemerkt man eine erste neuerliche Annäherungen zwischen Donna und Sam und wenn sie - zum Ende hin - "The Winner takes it all" gegenüber Sam singt, der sie vermeintlich verlassen hatte, dann kann man ihre damaligen Emotionen bestens nachempfinden. Überhaupt stiehlt hier die "alte" Generation der jungen die Show und man bekommt fast das Gefühl, als sei die "Abba"-Musik ein ewiger Jungbrunnen. Was vor allem Meryl Streep, Christine Baranski ("Your Mother should know") und Julie Walters hier auf die Beine bringen, spottet jeder Beschreibung - da wird getanzt und gesungen, dass die Bretter wackeln und die jungen Männer, die dabei Spalier stehen, sehen dagegen fast alt aus.Auch die drei alten Kerle machen keine schlechte Figur, allen voran Pierce Brosnan, der energisch mit einer leicht rauchigen, wenn auch nicht besonders melodischen Stimme mitsingt.
Amanda Seyfrieds Rolle zeigt dagegen die Problematik der jüngeren Generation. Trotz vieler Songs, die sie sehr ordentlich intoniert, bleibt sie blass - gut auch im Abspann zu erkennen, wenn sie neben den sechs "Alten" tanzend, fast wie ein Side-Kick wirkt. "Mamma Mia" propagiert - wenn man eine Botschaft in dem Film erkennen will - die persönliche Freiheit. Schon lange hat es keine Hollywood-Komödie mehr gegeben, die trotz der familiären Thematik, so wenig spiessig war, und den verschiedensten Lebensformen Raum gab. Bei einer solchen Konstellation haben es die Jungen automatisch schwer, denn sie müssen erst ihre Erfahrungen machen, von denen der Film lebt.
Die "Abba" Songs bringen diese Stimmung der 70er auf die heutige Leinwand und es ist ein Verdienst der beiden Abba-Musiker Björn und Bennie, dass sie keinerlei Kompromisse an die heutige Zeit machten - so weigerten sie sich, für das Musical neue Stücke zu schreiben. Letztlich ist es die Qualität der Songs, die hier den Eindruck bestimmt, und wenn man im Abspann "Thank you for the Music" , von Amanda Seyfried gesungen, hört, dann wird einem trotz aller Freude, die der Film bereitet, leicht wehmütig zumute (8,5/10).