Review

(Enthält Spoiler)


Wer erinnert sich nicht an den freudigen Moment im Leben eines jeden Cineasten, als sich im ersten Trailer zu Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels eine auf einem Armeefahrzeug projizierte Schattengestalt ihren Hut wieder aufsetzte und uns damit vermittelte, dass nach 19 Jahren eine Ikone der filmischen Populärkultur wieder ihren Weg ins Kino finden wird?

Mit der Vorfreude, je näher der Kinostart dieses Adventure-Franchises rückte, stiegen auch die Erwartungen an den mittlerweile vierten Teil der Archäologen-Saga und sowohl Regisseur Spielberg als auch Produzent Lucas machten aus sämtlichen Informationen zum Film ein Staatsgeheimnis, welches dem vom Roswell-Zwischenfall in New Mexico in nichts nachstehen sollte. Apropos: Selbiges hat in den Film nicht unerheblichen Eingang gefunden und die Story wurde - gemäß Harrison Fords Alterung - von den 30er um 20 Jahre nach hinten in die 50er Jahre verlegt.

Das Feindbild hat sich entsprechend geändert: Nicht mehr Nazis wollen Indiana Jones seine Entdeckungen streitig machen, sondern die bösen Russen, welche im Zeitalter des Kalten Kriegs auch hinter dem titelgebenden Kristallschädel und der damit verbundenen, sagenumwobenen „Stadt aus Gold" der Inkas her sind. Doch dies ist nicht der einzige Punkt in diesem an Referenzen an die Zeit der 50er Jahre reichen Films: Bombentests werden gezeigt (was in einer der absurdesten Szenen des gesamten Films mit Indiana Jones im Kühlschrank gipfelt), Mutt Williams (Shia LaBeouf) wird eingeführt wie ein rebellischer 50er-Jahre-Rock-´n-Roller, darf sich wie einst Johnny Weissmüller mit Lianen durch den Dschungel schwingen und - nun ja - Aliens sollen im weiteren Handlungsverlauf und im haarsträubenden Finale auch noch eine Rolle spielen, wie in den zahlreichen B-Movies (u.a. Plan 9 from Outer Space) in dieser Dekade.

Das bringt mich zum größten Kritikpunkt an diesem 125 Mio. Dollar-Blockbustervehikel: seine hanebüchene Überkonstruiertheit. Sicherlich zeichnen sich die drei Vorgänger nicht durch ihren Realismus in den Actionszenen aus (die allesamt cartoonesk überzeichnet wirken), jedoch entbehren sie abseits einiger mythischer Elemente nicht den Bezug zur Realität. Indiana Jones 4 wirkt jedoch letztendlich bisweilen so, als hätte Spielberg um jeden Preis eine Fortsetzung zu E.T. oder Unheimliche Begegnung der dritten Art drehen wollen, wobei ihm jedoch Indiana Jones dazwischenkam. Deswegen musste dieser mit unsäglichen, extrem dick aufgetragenen Fantasy-Elementen aufgemotzt werden, die ebenso wie die überbordenden, regelrecht inflationär gebrauchten CGI-Effekte nicht mehr im Dienste der Reihe stehen.

Allein schon der Übergang des Paramount-Berglogos zu Beginn in ein Filmmotiv, welches schon in den Vorgängern clever in die Handlung integriert wurde, ist dafür evident. In Teil vier erfolgt der Übergang zu einem kleinen Erdhügel, zu welchem dann in der nächsten Einstellung ein sichtbar animiertes Erdhörnchen gehört. Der Effekte-Overkill setzt sich besonders in einer ausgedehnten Verfolgungsjagd durch den südamerikanischen Dschungel fort, bei denen mordlüsterne Ameisen, Fahrten am Abgrund und der Sturz von gleich mehreren Wasserfällen zwar schön anzuschauen sind, allerdings in ihrer Überzeichnung auf Dauer beim Zuschauer nur noch Kopfschütteln hervorrufen. Von einigen auffälligen Logiklöchern (z. B. wo kommen am Ende die ganzen Inkakrieger aus der verlassenen Stadt her?) ganz zu schweigen.

Unterhaltend ist dieses Spektakel, ja, allerdings über eine Dauer von knapp zwei Stunden für meinen Geschmack etwas zu lang geraten. Insbesondere im letzten Drittel schwelgt Indiana Jones 4 nur so in seinen animierten Bildern und verärgert mit einem (zu) versöhnlichem, süßlich-kitschigen Ende, das zudem noch sehr viel Raum zur Interpretation um den Fortgang der Reihe lässt. Ich sag das als Fan der Indiana Jones-Reihe nicht gern, aber da wünsche ich mir lieber noch einen Teil der Vermächtnis...-Filme mit Nicolas Cage.

Dass späte Fortsetzungen durchaus funktionieren können, haben Stirb langsam 4.0, John Rambo und Rocky Balboa bewiesen. Dies lag daran, dass man die „alten" Filme in deren Geiste fortgesetzt hat. Soweit wie möglich wurden Fortgänge in der Digitalisierung des Kinos ausgespart und stattdessen auf Old-School-Action gesetzt. Dies bewahrte selbige Filme davor, zu charakter- und seelenlosen Effektorgien zu verkommen und bewies, dass Eventkino nicht dumm sein muss. Bei Indiana Jones 4 fehlt nur wenig, den enttäuschten und sich ans Kapital verraten fühlenden Fan vom Gegenteil zu überzeugen (5/10).

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