"Pop Knight"
Comicverfilmungen haben heutzutage Hochkonjunktur. Die Technik macht's möglich, dass inzwischen beinahe jeder Superheld aus den Marvel- und DC-Universen seinen knallbunten Leinwandauftritt hatte. Keine Frage, sündteure Kinospektakel sind wieder in. Der erklärte und scheinbar übermächtige Feind heißt Heimkino. Um diesen gefährlichen Gegner in die Knie zu zwingen, holt Hollywood bevorzugt die Schauwertkeule heraus. Schließlich hat sich diese Taktik ja schon einmal bestens bewährt.
In den 1950er Jahren war das Fernsehen zu einer ernsthaften Bedrohung für die Lichtspielhäuser geworden. Die Studios konterten mit teurem Ausstattungskino, Technicolor-Farben und CinemaScope-Verfahren. Prächtig ausgestattete Mantel- und Degen -, Antik- und vor allem Ritterfilme zogen mit sprichwörtlich wehenden Fahnen gegen das muffige Pantoffelkino in die Schlacht. Und die Rechnung ging auf. Abenteuerspektakel wie Ben Hur, Der scharlachrote Pirat, Scaramouche oder Ivanhoe zogen die Massen vor die überbreiten Leinwände und avancierten zu Genreklassikern die auch heute noch jedem Filmfreund ein Begriff sind.
Einer der interessantesten Vertreter aus dieser Glanzzeit des Abenteuerfilms ist Henry Hathaways Prince Valiant. Er gilt nicht nur als der Prototyp des Hollywoodschen Ritterfilms der 50er Jahre, sondern subsumiert sämtliche Stärken dieses Genres auf charmant-unterhaltsame Art.
Prinz Eisenherz (so der in Deutschland wesentlich bekanntere Titel) nimmt insofern eine Ausnahmestellung unter den Ritterepen ein, als dass er auf eine Comicvorlage zurückgeht. Der geborene Kanadier Harold Rudolph Foster (1892-1982) gilt als Pionier des modernen Abenteuercomic. Nach dem Erfolg von „Tarzan" (1928) wollte er nach gleichem Muster eine eigene Comicserie als fortlaufende Bildgeschichte für Tageszeitungen erarbeiten. So erschein 1937 die erste Seite der Abenteuer von Prince Valiant. Für den Hintergrund seiner fiktiven Figur wählte Foster die Artussage und orientierte sich dabei hauptsächlich an der berühmten Prosa Erzählung „Le Morte D´Arthur" (1485) von Thomas Malory. Ähnlich der Vorgehensweise Sir Walter Scotts (Ivanhoe) gestaltete er das Setting seiner Erzählungen allerdings so, als wäre die Artuslegende Teil des Mittelalters. Abgesehen von diesem gängigen Interpretationsmuster arbeitete Foster - zumindest für einen Comiczeichner - ungewöhnlich detailversessen und akkurat. So bescherten seine umfangreichen Recherchen und Quellenstudien (u.a. hinsichtlich Bewaffnung, Rüstungen und Burgen) Prince Valiant eine historisch stimmige Mittelalteroptik.
Gut 15 Jahre später hatte Foster über 800 Sonntagsseiten veröffentlicht und den schlagkräftigen Wikingerprinzen fest in der amerikanischen Popkultur verankert. Fosters Eisenherz-Kosmos mit seinem knallbunten Mittelaltersetting, den bereits etablierten Figurenkonstellationen und dem schier unerschöpflichen Fundus an bereits ausgearbeiteten Handlungssträngen war natürlich im wahrsten Wortsinn wie gemalt für die Hollywoodsche Unterhaltungsoffensive der 1950er Jahre.
Als sich 20th Century Fox 1953 an eine Verfilmung des überaus populären Stoffes machte, bestand die Schwierigkeit vor allem in der Auswahl relevanter Szenen. Wie so häufig bei Literaturverfilmungen führte dies natürlich zu allerlei Vereinfachungen und Abweichungen. Vor allem die teilweise komplexen Verflechtungen einiger zentraler Charaktere wurden ein Opfer dieser Simplifizierungen. Vor diesem Hintergrund ist dann auch Fosters Rückzug als direkter Mitarbeiter der Filmproduktion zu sehen.
Davon abgesehen bemühte man sich allerdings um eine möglichst vorlagentreue Umsetzung. Das war umso wichtiger, da - anders wie bei rein literarischem Ausgangsmaterial - die Anhängerschaft durch Fosters Zeichnungen natürlich eine klare Vorstellung von der visuellen Ausgestaltung der Erzählung hatte. Dementsprechend wurden auch die Darsteller so ausgewählt, dass sie optisch möglichst ihren Comicäquivalenten entsprachen. Auch bei der Kleidung, den Waffen, der Gestaltung der Innenräume und den Landschaften hielt man sich eng an Fosters Bilder.
Die Anlehnung an das Comicvorbild ging sogar soweit, dass man den Film mit Foster-ähnlichen Artworks bewarb um somit die optischen Parallelen gewissermaßen visuell zu belegen. Für den filmischen Vorspann griff man dann sogar gleich auf Originale Fosters zurück.
Der filmische Eisenherz ist wie sein gezeichnetes Vorbild ein jugendlicher Draufgänger. Als Sohn König Aguars von Thule fristet er allerdings ein trostloses und vor allem perspektivloses Dasein im britischen Exil. Der Wikingerfürst Sligon hat die Königsfamilie und ihre christlichen Anhänger aus ihrer Heimat vertrieben und verfolgt nun ihre endgültige Auslöschung. Aguar schickt daraufhin seinen Sohn an den Hof König Arthurs um dort ein Ritter der Tafelrunde zu werden und Verbündete im Kampf gegen den Thronräuber Sligon zu gewinnen.
Auf seinem Weg nach Camelot erfährt Eisenherz durch Zufall von der Verschwörung eines geheimnisvollen schwarzen Ritters, der sich mit Hilfe von Sligons Wikingern Arthurs Thron bemächtigen will. Im Gegenzug würden sie Aguars geheimen Aufenthaltsort erfahren. Zusammen mit Sir Gawain - dem Eisenherz zunächst als Knappe zugeteilt wird - verfolgt der junge Wikingerprinz die verräterische Spur bis zu Arthurs berühmter Tafelrunde ...
Trotz der dichterischen Freiheiten des Drehbuchs - vor allem die amourösen Beziehungen der Hauptcharaktere werden stark vereinfacht und teilweise auch verfälscht dargestellt - atmet der Film in jeder Szene den Geist der Comicvorlage und wurde auch vom zunächst skeptischen Hal Foster aufgrund seines enormen Schau- und Unterhaltungswerts wohlwollend aufgenommen.
Henry Hathaways größtes Verdienst als Regisseur ist die beinahe verlustfreie Übertragung von Fosters epischer Bildgestaltung auf die große Leinwand. Das für damalige Verhältnisse stolze Budget von 3 Millionen Dollar wurde perfekt investiert. Vor allem die 9-wöchigen Außenaufnahmen in Großbritannien sorgten für eine Vielzahl beeindruckender Landschafts- und Burgpanoramen. Alle 5 im Film gezeigten Burgen waren Originalschauplätze (in Schottland, England und Wales), wovon das englische Alnwick Castle als Double für Camelot sicherlich die spektakulärste Kulisse bildete. Auch die Aufnahmen an der schroffen englischen Felsenküste sorgten für außergewöhnliche Bilder.
Bei der Besetzung fand man genau die richtige Mischung zwischen etablierten Stars und frischem Blut. Der damals relativ unbekannte Robert Wagner war sicherlich ein Glücksgriff für die so wichtige Titelrolle. Neben der optischen Ähnlichkeit mit seiner Comicfigur besitzt er auch die nötige Naivität, Jungenhaftigkeit und sportliche Physis um den ungestümen Eisenherz glaubhaft auf die Leinwand zu bringen. Dass Wagners Vater die im Film benötigten Schwerter in seiner Stahlfabrik in Leichtstahl produzieren ließ um die kämpfenden Schauspieler zu entlasten, mag für die Produzenten ein angenehmer Nebeneffekt gewesen ein, bei ihrer Entscheidung für den Filius dürfte dies aber eher eine untergeordnete Rolle gespielt haben.
Mit Sterling Hayden als väterlichem Draufgänger Sir Gawain und James Mason als undurchsichtigem Intriganten Sir Brack konnte Hathaway dagegen auf zwei erfahrene Klasse-Schauspieler zurückgreifen. Vor allem der auf zwielichtige Charaktere abbonierte Mason lieferte trotz seiner wenigen Auftritte eine gewohnt souveräne und überaus präsente Vorstellung. Bleiben noch die Frauenrollen. Die zu dieser Zeit häufig in historischen Spielfilmen eingesetzten Schönheiten Janet Leigh und Debra Paget sorgten als Love Interests von Eisenherz und Gawain für die in diesem Genre unabdingbare Romantik.
Wie bei den meisten filmischen Erfolgsgeschichten stimmt bei Prinz Eisenherz einfach das Gesamtpaket. Henry Hathaway und sein Team trafen perfekt Ton und Bildästhetik der überaus populären Comicvorlage und schufen einen bis heute gleichermaßen beliebten wie bekannten Genreklassiker. Sowohl die Naivität wie auch die Schauwerte des Vorbilds blieben in der Filmversion erhalten. Natürlich war Fosters epische Bildgestaltung eine Steilvorlage für das Kino, aber diese musste auch erst einmal genutzt werden (können).
Das Publikum jedenfalls war begeistert. Seinem gezeichneten Äquivalent gleich eroberte Prince Valiant insbesondere die US-amerikanischen Lichtspielhäuser im Sturm. Über 4000 Prince Valiant-Clubs schossen wie Pilze aus dem Boden und die Spielzeugindustrie hatte eine neue Goldgrube entdeckt.
Für die zeitlose Wirkungsmächtigkeit des Films gibt es verschiedene Erklärungsmuster. Eines ist sicherlich der rundum geglückte Brückenschlag zwischen Thomas Malorys romantisch-sagenhafter Ritterwelt und der knallbunten Popkultur der 1950er Jahre. Ein weiteres mag in der seltenen Verdichtung sämtlicher Attribute des klassischen Abenteuerfilms liegen. Wie dem auch sei. In einer Zeit in der Comicverfilmungen zu immer neuen Höhenflügen ansetzen, ist Prinz Eisenherz als früher Trendsetter jedenfalls moderner denn je.