Carol Ledoux ist die typische Klassifikation einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Sie ist emotional instabil, der Kontakt zu ihren Mitmenschen ist gestört und ihr Selbstbild negativ. Sie ist in jeder Beziehung unsicher und beeinträchtigt, im Grunde nicht fähig selbstständig für sich zu sorgen. Ihre Vergangenheit wird jedoch nicht weiter beleuchtet, doch scheint eine traumatische Erfahrung naheliegend. Jenes ist für den weiteren Verlauf der Handlung allerdings in keinster Weise von Belangen.
Ihre Schwester Helen ist ihre einzige Bezugsperson und sichtlich bemüht. Die beiden wohnen zusammen. Neuerdings hat sie einen Freund und mit dem kann sich Carol verständlicherweise gar nicht identifizieren, ebenso wenig wie mit sich selbst. Sie ist eifersüchtig, blockt ihm gegenüber ab. Es stört sie das er ständig seine Zahnbürste und seinen Rasierer in ihr Glas im Badezimmer stellt und wenn er nachts mit ihrer Schwester schläft wältzt sie sich im Bett hin und her.
Das wäre alles halb so dramatisch, wolle Helen nicht mit ihrem Liebhaber für ein paar Tage verreisen. Hier macht die gute Frau einen ganz entscheidenen Fehler, der fatalste Folgen haben wird, deren Ausmaße allerdings nicht im geringsten abzusehen waren. Carol psychischer Zustand war ohnehin nicht das was man gesund nennt. Nun ist die mit dem Leben völlig überforderte junge Dame komplett auf sich allein gestellt. Sie vereinsamt in der großen Wohnung zusehends, flüchtet sich immer mehr in Tagträume und ist allmählich auch nicht mehr in der Lage ihrer Arbeit im Schönheitssalon vernünftig nachzukommen.
Trotz des erstaunlich niedrigen Tempos das Polanski an den Tag legt ist "Ekel" von der allerersten Sekunde an mehr als fesselnd. Man verschlingt die Handlung wie einen spannenden Roman (Polanski). Wenn die scheinbar unzurechnungsfähige Carol ihr trostloses Dasein fristet, von der Außenwelt völlig isoliert und ohne jeden sozialen Kontakt kann man gar nicht anders als mit der armen, labilen Frau Mitleid zu haben, wo sie doch eigentlich ein so liebes Mädchen zu sein scheint. Das traurige an der Sache ist, dass solche Persönlichkeiten ja keinesfalls Polanskis Fantasie entsprungen sind, sondern überall auf der Welt rumlaufen. Nicht umsonst wird "Ekel" oft in einem Atemzug mit "Der Mieter" genannt, indem Polanski selbst das seelische Wrack verkörperte.
Was das Ganze auf die Spitze treibt ist dann das umwerfende Spiel der bezaubernden Catherine Deneuve. Sie mimt die verstörte Frau derart überzeugend das man es fast mit der Angst zu tun bekommt und eigentlich zwangsläufig davon ausgehen muss das sie auch im richtigen Leben geistig nicht ganz auf der Höhe ist.
Die Situation könnte aussichtloser nicht sein, doch der ohnehin schon grenzenlose Pessimismus in Polanskis Werk steigert sich noch weiter und soll für den Zuschauer "dank" der beängstigen Bilder zu einem Alptraum werden. Verwirrung, Horror, Wahnsinn, Angst und Schrecken, Entsetzen, Fassungslosigkeit. Paranoide Verzweiflung, die schließlich in Tod, Verderben und Verwahrlosung enden, Helen erwartet eine wahrlich böse Überraschung als sie nach ihrem schönen Urlaub die Tür zu ihrem trauten Heim öffnet. Da kann man schon mal leicht einen Schock bekommen!
"Ekel" - ein Drama von der experimentellen Sorte mit Horrorelementen, das sich schlagartig ins Gedächtnis einbrennt. Hier schuf das in letzter Zeit immer wieder für Schlagzeilen sorgende Genie Roman Polanski sein absolutes Meisterwerk. Fast unerträglich spannend, niemals unglaubwürdig, mit toll ausgefeilter Dramaturgie, düster und beizeiten richtig unheimlich, ungemein faszinierend, traurig und nachdenklich stimmend, mit viel Platz für fleißige Interpretationen und das alles trotz der im Grunde wenig komplexen und sehr leicht nachzuvollziehenden Handlung... schlichtweg überragend in jeder Beziehung!!