BORN TO FIGHT
Glaubt man einer alten, thailändischen Legende, so unternahm einst ein kleiner Junge einen gewaltigen Fußmarsch, um sich im Nachbarsdorf einen Film anzuschauen, welcher sein weiteres Leben von Grund auf verändern sollte. Den Jungen nennt man heute nur noch Tony Jaa und bei besagtem Film handelt es sich um BORN TO FIGHT! Nein! Nicht der Cynthia Rothrock-Klopper von 1989 und auch nicht der Dan Chupong-Kracher von 2004! Die Rede ist von Panna Rittikrais Erstling BORN TO FIGHT (1986), welcher im kleinen Tony den großen Traum einer Muay Thai-Filmkarriere erweckte und darüber hinaus mit dem Remake von 2004 kaum mehr als nur den Titel gemeinsam hat…
John ist seit Jahren Anwalt der reichen Familie Yang und eines Tages findet er den Beweis dafür, dass sich ein Ganove heimlich am Familienvermögen bereichert. Der Ganove - ein Mitglied der gefürchteten „Green Dragon Gang“ - möchte den Zeugen mitsamt Beweisen beseitigen lassen und deshalb verlässt John Hong Kong, um bei seinem Bruder Jam in einem kleinen Dorf in Thailand unterzutauchen. Ex-Cop und Fighter Tony (Panna Rittikrai) bekommt den Geheimauftrag, John und das Beweismaterial wohlbehalten nach Hong Kong zurückzubringen. Er reist umgehend nach Thailand und nimmt dort Kontakt zu seinem ortskundigen Kumpel Ray auf. Die beiden finden heraus, dass John dem Vater eines lokalen Gangsterbosses beinahe bis aufs Haar gleicht. Der Gangsterboss selbst hat dies jedoch noch nicht bemerkt, verdächtigt Tony fälschlicherweise, seinem Vater an den Kragen zu wollen und hetzt ihm deshalb seine Schläger auf den Hals. Nach einer Menge gebrochener Knochen sind dann alle Verwechslungen aufgeklärt und just in diesem Moment gelingt es der inzwischen nachgereisten „Green Dragon Gang“, John in ihre Gewalt zu bringen. Nun muss Tony noch ein allerletztes Mal seine geballte Kampfkraft einsetzen…
Sagte man ONG-BAK (2003), BORN TO FIGHT (2004) und TOM-YUM-GOONG (2005) noch eine dümmlich-simple Story nach, so brauchte ich satte drei Anläufe, bis ich die Story von Panna Rittikrais Schauspiel-, Choreographie- und Regiedebüt BORN TO FIGHT (1986) zusammengepuzzelt hatte. Das soll nun nicht heißen, die Story wäre komplex oder gar intelligent. Vielmehr wurde der „Killer jagen Zeugen und Cop muss selbigen beschützen“-Plot ziemlich verworren erzählt und durch unnötige Subplots zusätzlich verkompliziert, wodurch Interesse und Verständnis rasend schnell auf der Strecke bleiben. Würde man nun noch die Darsteller als fähig und die Gags als witzig bezeichnen, so wäre dies maximal mit geistiger Umnachtung zu entschuldigen. Die dahergestammelte, englische Billigsynchro gibt dem Machwerk beinahe den Todesstoß und jetzt kommt die Stelle, wo der Muay Thai-Fan auf den „Die geilen Fights machen den Film zum Kampfsportkracher!“-Satz wartet…
Nanu? Ich hör ja gar nichts! Hatten die zum Trailer zusammengeschnittenen Kicks, Punches und Stunts noch Anlass zur Hoffnung gegeben, endlich mal wieder ein beeindruckendes „Auf die Fresse“-Fest erleben zu dürfen, so wird bereits beim ersten Fight klar, dass man seine Erwartungen wohl besser ein wenig zurückschrauben sollte. Der Fight in einer Lagerhalle trägt zwar eindeutig Pannas Handschrift, lässt jedoch sämtliches Gespür für Choreographie oder Timing vermissen. Insbesondere die Zeitlupen kommen erstaunlich holprig rüber: Hier wird kein Schlag erst rasend schnell und dann genüsslich langsam gezeigt… kein Tritt erst über die volle Distanz und dann nur als Impact … kein Vorfreude steigerndes Aufladen mit anschließendem zelebrierten Abfeuern. Die meisten Stunts werden lediglich mit mehreren, beinahe identischen Wiederholungen und/oder Zeitlupen gewürdigt, welche darüber hinaus noch ziemlich plump und einfallslos aneinandergereiht wurden.
Panna, welcher im ersten Fight noch nicht selbst zu sehen war, stellt sich dem Publikum mit einer überlangen Demonstration seines Könnens vor, führt einige Techniken des Muay Thai und den „Thai Sword“-Style vor und huldigt anschließend den Jackie Chan-Klassikern DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS (1977) und SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER (1978) mit seiner eigenen Interpretation von Schlangenstil und „Drunken Boxing“… sogar inklusive Originalmusik! Die gesamte Demonstration wirkt, als habe ein Fighter im Wald eine Kamera auf ein Stativ gestellt und sich anschließend selbst gefilmt, um das Ergebnis bei YouTube einzustellen. Nach „großzügigen“ 15 Minuten tauchen dann plötzlich fünf maskierte Schläger auf und wollen einfach mal wissen, wie gut Panna tatsächlich kämpft. Die nun folgenden Fights wiederholen sämtliche bereits vorgeführten Stile und Techniken, können aber nicht wirklich überzeugen und ziehen die ohnehin schon viel zu lange andauernde Demonstration nur noch zusätzlich in die Länge.
Im weiteren Verlauf des Films gibt es noch eine stattliche Anzahl an weiteren Stunts zu begutachten, doch leider gibt es auch hier wieder einiges zu bemängeln. Wer immer meinte, die Sequenz aus ONG-BAK, in welcher Tony Jaa auf der Flucht vor Schlägern über und durch Hindernisse springt und im Spagat unter einem Auto hindurchrutscht, sehe „aufgebaut“ und „gestellt“ aus, der möge sich mal die hier gezeigte Verfolgungsjagd mit Motorrädern anschauen. Die Stunts an sich sind natürlich gut gelungen und auch ziemlich halsbrecherisch. Trotzdem kann man den Sturz von einem bremsenden Bus, den Sprungkick gegen einen heranbrausenden Motorradfahrer, den Crash gegen ein parkendes Auto oder auch den Flug durch ein Reklameschild wohl kaum „künstlicher“ inszenieren.
Im Finale duelliert sind Panna dann mit den fünf Mitgliedern der „Green Dragon Gang“ und erstmals kommen dabei auch Fights heraus, die tatsächlich mitreißen können. Ob die armen Gegner nach einem Sprung auf den Brustkorb durch eine Tischplatte krachen, brennende Knüppel auf die Köpfe geschlagen bekommen oder während des Sturzes von einem Gerüst noch einen Sprungkick einstecken müssen, um sich anschließend in den staubigen Boden zu graben… Panna nimmt hier viele Stunts seines 2004er Remakes vorweg und der bisher bitter enttäuschte Muay Thai-Fan kann zumindest noch ein wenig strahlen… mit der leicht tröstlichen Erkenntnis, sein Geld nicht vollständig aus dem Fenster geworfen zu haben!
Natürlich habe ich Respekt davor, was Panna hier mit einfachen Mitteln auf die Beine gestellt hat, denn BORN TO FIGHT will schließlich nicht als richtiger Spielfilm, sondern vielmehr als eine knochenbrecherische Muay Thai-Stuntshow verstanden werden! Wenn man sich jetzt noch vor Augen führt, was Panna in den letzten Jahren - insbesondere zusammen mit seinem Schützling Tony Jaa - geschaffen hat, kann man ihm hierfür auch gar nicht mehr richtig böse sein! Schließlich hat ein John Woo mit HEROES SHED NO TEARS (1983) auch mal klein angefangen und sich später dann mit THE KILLER (1989), BULLET IN THE HEAD (1990) oder HARD-BOILED (1992) in unsere „Heroic Bloodshed“-Herzen geschossen!
Trotzdem werde ich in näherer Zukunft erstmal einen kleinen Bogen um derartige, eventuell auftauchende Panna Rittikrai-Frühwerke machen, mich stattdessen lieber ein wenig an den Actionkrachern des momentan im Aufschwung befindlichen Hong Kong-Kinos erfreuen und heißhungrig darauf warten, ob in zukünftigen Muay Thai-Werken wie BRAVE, ONG-BAK 2 oder BANGKOK ADRENALINE die Knochen mal wieder im Dutzend brechen dürfen…
5/10 Punkten, diBu!